Sollte man zu Tet nach Vietnam reisen oder lieber nicht??

Tet – eigentlich Tet Nguyen Dan – heißt so viel wie „Fest des ersten Morgens“ – also Neujahr. Gefeiert wird es dort, wo man nach dem Chinesischen Kalender lebt und es ist der wichtigste Feiertag im ganzen Jahr. Der allerwichtigste! Tet ist ungefähr so wie Weihnachten, Silvester, Ostern und Geburtstag auf einmal!

Ich wollte Tet unbedingt mitfeiern, denn was gibt es spannendes als einen hohen Feiertag in einem anderen Land zu erleben? Vor langer Zeit konnte ich die Osterprozessionen auf Ibiza miterleben und es war unvergleichlich! Max war noch etwas skeptisch. Ausgestorben soll es sein, die Städte menschenleer, lasen wir in manchen Reiseberichten, man finde lediglich Geisterstädte vor. Man solle sich vorher mit Lebensmitteln eindecken, rieten andere.

Blumen auf dem Bike

Ausgestorbene Städte oder Party – nichts was man nicht lesen kann

In wieder anderen Artikeln konnte man lesen, Tet sei wie eine große Party. Hm, was nun? Egal, wir schauen es uns an! Wir einigten uns darauf, dass wir Tet in Hanoi oder Ho Chi Minh feiern – in Städten solle man noch die besten „Überlebenschancen“ haben. Auf dem Land würden nicht mal mehr Verkehrsmittel fahren. Also: gesagt, getan. Nach 12 Tagen im Süden machen wir uns einen Tag vor Tet auf den Weg nach Hanoi. Flüge sind gerade günstig, angeblich liegt es daran, dass alle Vietnamesen aufs Land zu den Familien fahren. Also eben nicht in die Städte – die deshalb leer sein sollen. Wir haben es gern so genommen – wer fliegt nicht gerne günstig?

Als wir gegen 18 Uhr in Hanoi ankommen, wirkt zumindest am Flughafen alles normal. Auch der Bus in die Stadt fährt wie er soll. Auf dem Weg sehen wir jede Menge Menschen die putzen, einkaufen und riesige Mandarinenbäumchen oder Blumengestecke auf ihren Rollern transportieren. Das hatten wir in den vorhergehenden Städten schon beobachtet. In der Straße von unserem Hotel sind die meisten Läden gegen 18 Uhr schon geschlossen und mit Rollos regelrecht verbarrikadiert. Vielleicht ist es morgen doch ausgestorben?! An der Rezeption empfängt man uns direkt in Festtagsstimmung, erklärt uns, morgen sei Feiertag und gaaanz viel geschlossen und daher sehr, sehr wenig Verkehr. Wir sollen früh aufstehen (ganz unsere Sache) und die Ruhe in der Stadt erleben. Dann zeigt der junge Mann auf die Ausgangstür und meint, es sei heute schon alles seeehr ruhig.

Ballons und Roller

Wir mussten ein wenig schmunzeln, vor dem Hotel war das Verkehrsaufkommen ungefähr so wie zur Rushhour in Berlin – bei doppelter Lautstärke wegen des permanenten Hupens. 

Hamsterkäufe vor dem Fest?

Als wir auf unserer ersten Runde durch die Stadt jedoch die Menschenmassen im Supermarkt sehen, wird uns doch etwas anders und wir sind kurz versucht es ihnen gleich zu tun und uns für den nächsten Tag mit Hamsterkäufen einzudecken. Der freundliche Mitarbeiter von Circle K (der hiesige Mini-Supermarkt, den es hier an jeder Ecke gibt) erklärt mir jedoch sehr stolz, sie hätten immer auf. IMMER. „Also auch an Tet??“ – „24 hours, every day!“ Er kann offensichtlich gar nicht verstehen, weshalb ich ihn so zweifelnd anschaue.

Also lassen wir die Hamsterkäufe sein, sollten die Restaurants tatsächlich geschlossen bleiben, könnten wir schließlich immer noch zu Circle K und uns mit allem Nötigen versorgen. 

Und dann kommt endlich Tet

Tja, und dann kommt also endlich der 28.1. – Tet in Vietnam. Der Rezeptionist ruft uns am Morgen ein fröhliches „Happy New Year“ entgegen und von der Straße her hören wir, Überraschung – Rollerhupen und Straßenlärm! So viel also zu den befürchteten Geisterstädten! Als wir rausgehen, ist mindestens halb Hanoi auf den Beinen. Die Straßenrestaurants köcheln ihre Suppen und stapeln die Plastikstühlchen auseinander, die Obstverkäufer rollen ihre Wagen über die Straße und überall sind Menschen. Aufgebrezelte, hübsch angezogene Menschen. Mädchen, die in Cinderella-Kleidchen stecken, Jungs in traditionellen Gewändern, ganze Familien im gleichfarbigen Ao Dai. Und dazwischen tausende Luftballons!

Brücke zum Tempel

Tet und die vollen Straßen

Scheinbar gibt es genau 4 Verhaltensweisen für Tet, wie wir schnell feststellen:

  1. die hübschesten Dinge und den feinsten Zwirn anziehen
    Familie mit Kindern 
  2. Fotos von sich, den Kindern, der Familie, den Großeltern, dem Hund oder vorzugsweise von allen zusammen machen
    Steffi mit Prinzessinen
    traditionell gekleidete Vietnamesen
  3. Luftballons kaufen (!)
    Ballons bei Nacht die zweite
    Ballons bei Nacht
    Steffi und Ballons
  4. sich durch Tempel schieben, beten und (echtes) Geld ablegen, sog. „Happy Money“ (nachgedrucktes Spielgeld) für die Toten verbrennen und Räucherstäbchen anzünden, so dass alles qualmt und raucht
    Schildkröte

    Viel los

 

Ehret die Götter und die Toten – mit Essen und Happy Money

Es ist kaum zu glauben, was sich an diesem Tag auf den Straßen und in den Tempeln abspielt. In Vietnam verehrt man die verstorben Ahnen, daher gibt es in jedem Haus einen kleinen Schrein, vor den man Essen und Getränke stellt – ebenso wie in den Pagoden und Tempeln. Und an Tet tut man dies eben in Feiertags-Ausmaß: die Altäre vor den Heiligen biegen sich unter der Last von Früchten, Keksen, Bier- und Limodosen, Wasserflaschen und Süßigkeiten, dazwischen findet man sogar gebratene Hähnchen oder gebackene Frühlingsrollen – einfach alles, was man gerne selbst essen würde und den Toten gefallen könnte.

Tempel mit Gaben

Jeder feiert, freut sich und lacht. Und wir mittendrin. Mehrfach wird uns Happy New Year entgegen gerufen und hier und da müssen wir für ein Neujahrsfoto mit aufs Bild. Den Großteil des Tages verbringen wir damit, dem bunten Treiben rund um den Hoan-Kiem-See zuzusehen, unglaublich viel zu essen, unglaublich viele Fotos zu schießen und uns durch viele überfüllte Tempel zu schieben. Im Endeffekt taten wir das, was auch die Vietnamesen an Tet machen – nur eher als Beobachter und ohne Happy Money zu verbrennen.

Auch abends wird es nicht wirklich ruhiger auf den Straßen. Viele Familien sitzen in ihren Häusern und verspeisen gemeinsam ihre Festtagsmenüs – das kann man leicht durch die offen stehenden Eingänge sehen. Das Familienfest ist hier kein Geheimnis hinter verschlossenen Türen. 

Die Stadt pulsiert – und schläft doch

Natürlich muss man fairerweise sagen, dass viele bis sehr viele Geschäfte an Tet geschlossen haben (Klamottenläden, Schuhläden, usw.), die Hotels machen aber ganz normal weiter, die zentral gelegenen Restaurants haben alle offen und man muss nicht verhungern (eher das Gegenteil ist der Fall). Bars, Cafes, Minishops und Theater haben ebenfalls geöffnet und auch bereits gebuchte Busse und Züge fahren – nur halt nicht so häufig. In Deutschland kann man an Neujahr wesentlich weniger Dinge unternehmen!

Schildkrötenturm
Ballons und Verkehr

Tet wird hier übrigens nicht nur einen Tag lang gefeiert, sondern mindestens 5! Möglichweise aber auch zwei bis drei Wochen, das scheint Auslegungssache zu sein. So richtig kann das aber scheinbar niemand sagen. Uns erzählt man bereits seit 2 Wochen es seien „Holidays“ und diese dauern auch noch gut 2 Wochen. Man bekommt das Gefühlt, Tet ist im Januar/ Februar einfach für fast alles eine Begründung. 

Ach ja, und außerdem feiert man hier immer noch Weihnachten. Ein bißchen absurd für unsereins, wenn man bei 28 Grad Sonnenschein im Tshirt vor einem beleuchteten, geschmückten Mandarinenbäumchen steht und einem der „Merry Christmas“-Schriftzug entgegenblinkt.

Wir haben uns zumindest unfassbar gefreut, dass wir Tet in Vietnam miterleben konnten und werden sicher noch den ein oder anderen Feiertag in anderen Ländern ansteuern!

Und alle die überlegen, irgendwann einmal Tet in Vietnam zu feiern, ihr braucht keine Angst vor Geisterstädten zu haben – Tet ist lustig, Tet ist bunt, Tet ist lebensfroh und einfach nur toll! 

In diesem Sinne: Happy New Year!