Da sitzen wir nun am Flughafen in San Jose, Costa Rica. Auf dem Weg ins nächste Abenteuer. Südamerika.
Doch es wird noch ein Weilchen dauern, bis wir ankommen. Denn wir sitzen nicht einfach nur hier, wir sitzen fest. Und das alles wegen Nate.
Nate – not my mate!
Nate ist ein Unwetter, das sich gerade in einen Tropensturm verwandelt hat. Bislang hatten wir unglaublich Glück mit unserer spontanen Route.
- Hurrikane – rechtzeitig ins Landesinnere abgedreht
- Erdbeben – eine Woche zuvor aus dem Epizentrum abgereist und das wesentlich leichtere Beben bei uns verschlafen
- Hurricane 2 – weit genug weg
- Erdbeben 2 – weit genug weg
Wir hatten eine tolle Zeit und sind von Mexiko über Guatemala, Honduras und Nicaragua bis Costa Rica südwärts gereist. Und jetzt, im letzten Land, sitzen wir fest. Trotzdem wissen wir, dass wir uns glücklich schätzen können – wir hatten und haben unfassbar viel Glück. Wie viel, wird uns erst im Lauf des Tages bewusst.
Hochwasser kennen wir – kein Grund nervös zu werden
Es hat die letzte Woche jede Nacht geregnet. Manchmal auch mal tagsüber. Aber es ist nun mal Regenzeit – nichts ungewöhnliches also. Als wir gestern Popoyo verlassen, herrscht Sonnenschein und ich sage noch zu Max das Wetter sei besser als die letzten zwei Tage. Schweren Herzens verlassen wir unser kleines Häuschen in dem wir die letzten 9 Tage verbracht haben. Wir sind länger geblieben als geplant, weil es uns so gut gefallen hat. Weil wir dieses wunderschöne Fleckchen Erde ins Herz geschlossen haben.
Mit dem Bus fahren wir nach Costa Rica, schlicht weil die Flüge ab San Jose günstiger sind und wir ohnehin schon ganz im Süden waren. Kaum haben wir die Grenze zu Costa Rica überschritten, regnet es. Viel Regen. Sehr viel Regen. Auf den Feldern steht das Wasser, Vorgärten ähneln ehr Pools und unter den Brücken fließen schäumende, reißende Flüsse durch. Ja es sieht nicht gut aus. Es sieht nach Hochwasser aus. Doch es beunruhigt uns nicht. Kennen wir, gibt’s auch zuhause. Die Feuerwehr zerlegt am Straßenrand einen umgekippten Baum, der die halbe Fahrbahn blockiert. Auch als wir eine Stunde im Stau stehen, nichts mehr geht und der Busfahrer sich entschließt umzukehren, machen wir uns keine Sorgen. Ist hier unten in Mittelamerika ja nicht allzu selten, dass Straßen blockiert sind…
Mit 4 Stunden Verspätung kommen wir müde in Alejuela an. Die ganze Nacht prasselt der Regen aufs Dach, auch am Morgen geht es ununterbrochen weiter. Es ist kalt, ungemütlich und nass. Der Hotelbesitzer plaudert beim Frühstück mit uns, sagt der Regen sei ziemlich heftig und mehr als sonst. Scheint aber nicht beunruhigt. Wir nehmen ein Taxi zum Flughafen weil es uns für den Weg zum Bus zu nass ist.
Erst am Flughafen wird klar was für Glückspilze wir sind
Und dann sitzen wir am Abflug und warten. Und warten. Und warten. 14:00 Uhr – kein Boarding. 15:00 Uhr Ansage, wir hätten Verspätung. Ach ne. Irgendwann stelle ich fest, dass es verdammt ruhig draußen ist – bis auf den stetig prasselnden Regen. Kein Flugzeug kommt rein, kein Flugzeug geht raus. Der Regen prasselt auf die leere Runway. Man hat den Flughafen gesperrt. Leise, still und heimlich. Informationen? Fehlanzeige!
Ich schlendere über die Gänge. Am Panama-Gate geht’s hoch her – schreiende Menschen, wütende Gesichter. Dazwischen Polizisten die versuchen, die aufgebrachte Meute von den Airline-Mitarbeitern fernzuhalten. Die Situation ist angespannt.
Eine Frau erzählt mir, dass die Menschen seit 5 Uhr morgens auf ihren Flug warten. Drei hätten bereits nach Panama gehen sollen, nichts ist passiert. Und die Airline schweigt. Schlechtes Krisenmanagement. Auch den Flug nach Mexiko hat man einfach von der Anzeigentafel genommen – ohne weitere Information. Unser Flug steht zumindest noch angeschrieben – mit dem Vermerk Verspätung. Ich hoffe also weiter. Am Gate ist es friedlich. Immerhin. Als ich die Flugbegleiterin nach dem Abflug frage nuschelt sie was von „siete“ und dreht sich schnell wieder um… Mit der Kommunikation hat man’s hier scheinbar nicht so.
Und unsere Freunde sind da mitten drin
Am Gate laufen die Fernseher – die News zeigen grausame Bilder. Sie werden von Stunde zu Stunde beängstigerend. Erdrutsche, Überschwemmungen, Deichbrüche. Mindestens 15 Tote – nur in Costa Rica. Die Regierung hat mittlerweile den Notstand ausgerufen. Der Tropensturm wütet zwischen Costa Rica und Nicaragua. Besorgte Nachrichten erreichen uns aus Deutschland und von unseren Reisefeunden, ob wir in Sicherheit seien. Und dann die Nachricht, dass der Ort in dem wir bis gestern waren, nicht mehr erreichbar ist…
Susan, unsere nette Vermieterin antwortet auf keine Nachricht. Die Neuseeländische Familie, die neben uns gewohnt haben ebenso wenig. Immerhin sehen wir dass die Nachricht an sie gar nicht erst zugestellt wird. Wir hoffen dass es ihnen gut geht und „nur“ die Stromversorgung zusammengebrochen ist. Es ist kein gutes Gefühl. Mehr als 76cm Wasser kamen runter (!!!)
Und wir merken, was ein Glück wir hatten, immerhin sitzen wir in einem ziemlich stabil gebauten Gebäude – auch wenn es an einigen Stellen schon tropft. Wir warten weiter…
Ende gut, alles gut? Leider nur für uns!
Nach Stunden braust ein ersten Flieger über die Startbahn und hinterlässt eine Wasserfontäne. Ich schöpfe neue Hoffnung. Um 18:30 schickt man uns zum Burgerladen – die Airline sponsert Nervennahrung – damit der Aufstand ausbleibt. Das liebe ich so an Mittelamerika, selbst wenn nichts mehr funktioniert – Essen gibts immer! Zumindest darauf ist Verlass.
Im Fernseher flimmern immer neue Bilder von Verwüstung. Weggerissene Häuser, verschüttete Straßen, verzweifelte Menschen die Hüfthoch im Wasser stehen. Die Zahl der Vermissten steigt. In Mexiko und den USA beginnt man Menschen zu evakuieren. Nicaragua, Honduras und Costa Rica stehen unter Wasser. Schulen und öffentliche Einrichtungen hat man geschlossen, sämtliche Autobahnen in Costa Rica sind gesperrt.
Vermutlich mussten wir gestern mit dem Bus umdrehen, weil die Straße verschüttet war – vielleicht war da sogar gar keine Straße mehr. Was hatten wir ein Glück, dass wir ohne weiteres angekommen sind. Was hatten wir ein Glück, dass wir beschlossen hatten einen Tag früher nach Costa Rica zu fahren als erst geplant.
Eine tolle Zeit in Mittelamerika geht traurig zu ende
Wir hatten eine gute Zeit in Mittelamerika. Eine sehr gute sogar. Viele nette Menschen durften wir kennenlernen, so viel Gutes erleben. Und umso mehr trifft es uns, zu sehen wie diese Menschen, die ohnehin schon so wenig haben, nun noch weniger haben. Ich bin dankbar für die Zeit, die wir hier hatten. Für das Erlebte und was wir kennenlernen durften. Und dankbar, wieviel Glück wir hatten. Ja, wir hatten mehr als einen Schutzengel.
Danke da oben, wir wissen es zu schätzen!
Um 20:30 Uhr steigen wir endlich in den Flieger – mit fünf Stunden Verspätung, die wir gerne in Kauf nehmen. Wir rasen über die Startbahn, dicke Regentropfen rinnen über die Fensterscheiben. So steil wie nie steigen wir in den Himmel. Wir werden einmal ordentlich durchgeschüttelt bis wir durch die Strumwolken sind. Doch es ist nicht der Rede wert, wenn man bedenkt was unter uns passiert.
Adios Mittelamerika und Danke für alles! Wir hoffen alles wird wieder gut und senden unsere Gebete!
Hinterlasse einen Kommentar