Das Umland von Sa Pa hat so einiges zu bieten. Sei es wunderschöne Natur, Landwirtschaft, die noch mit bloßer Körperkraft und Büffeln betrieben wird und durchweichte Jeans und Nikes. Die Stadt Sa Pa – eher nicht so mein Fall.
Sa Pa ist hässlich – richtig hässlich
Wir kommen morgens um halb sieben mit dem Nachtbus aus Hanoi in Sa Pa an. Feiner Sprühregen durchnässt uns auf dem überraschend weiten Weg ins Hotel. Die Stadt hängt so voller Nebel, dass man kaum bis zur nächsten Ecke schauen kann. Und wir haben für in wenigen Stunden eine Trekkingtour durch die Reisfelder gebucht. Glückwunsch.
Direkt neben der Bushaltestelle – Nichts als Nebel
Ein „Stadtzentrum“ gehüllt in Nebel
Auch im Hotel wird uns nicht wärmer, es ist der frostigste Empfang der bisherigen Reise und am liebsten würden wir erst gar nicht einchecken. Können wir vorerst auch nicht, das geht nämlich erst ab Mittags. Wir werden das Gefühl nicht los, dass man unsere Reservierung – mit der Bitte eines Early Checkins – übersehen hat, so lange wie der Herr nach unseren Namen sucht. Wir putzen uns also im nicht unbedingt empfehlenswerten Badezimmer des Besitzers/der „Lobby“ wenigstens die Zähne und machen uns auf den Weg zur Kirche, wo wir Zi treffen.
Was zur Hölle sind Gumboos?
Zi haben wir Tags zuvor von Hanoi aus angerufen und sie gefragt, ob sie mit uns wandern geht. Meine liebe Kindergartenfreundin von Adventures of a Municorn hat mir ihre Nummer geschickt, sie war vor zwei Jahren mit Zi unterwegs. Dank des direkten Kontakts sparen wir uns das Verhandeln mit den vielen Einheimischen, die alle eine Tour oder sonstwas verkaufen möchten.
Die Kirche scheint der zentrale Ort in Sa Pa zu sein, Verkäuferinnen preisen ihre Ware an, Kinder in traditionellen Trachten stehen für Fotos bereit. Zi macht uns in diesem Gewusel trotzdem mühelos aus.
Zi lächelt uns an und fragt, ob wir heute wirklich eine Trekkingtour machen wollen. Klar, jetzt sind wir schon mal da. Kritisch beäugt sie Max Schuhe und schlägt ihm vor, „Gumboos“ zu leihen. Hm, was für Dinger? Wir sind leicht ratlos, sie ebenfalls und alle der Meinung, das wird schon gehen.
Als uns (natürlich viel zu spät) Frauen in traditionellen Gewändern und Gummistiefeln entgegen kommen, fällt der Groschen – Gumboots. Vielleicht wären die Dinger ein wenig sinnvoller gewesen, trockener auf alle Fälle!
Mit uns geht es steil bergab
Zi will mit uns ins Tal wandern, da dort weniger Nebel sei als noch höher in den Bergen. Alles was weniger Nebel bedeutet, kommt uns gelegen, dann sehen wir vielleicht ein bißchen von der Welt hier. Also machen wir uns an den Abstieg. Nicht etwa auf einer Straße, sondern über einen schmalen, abgetretenen Bergpfad, der erst einmal ziemlich steil nach unten geht.
Kein Meisterwerk von einem Foto – aber mehr war nicht drin. Einfach zu rutschig und steil
Und da es die ganze Nacht und den Tag zuvor geregnet hat, tut der Lehmboden sein übriges. Während Zi in ihren pinken Nikes (und ihrem traditionellen Gewand mit Regenjacke drüber) flink vor uns herspringt, rutschen wir ehr ungalant von Strauch zu Stein zu Bambus und versuchen uns selbst noch an der kleinsten Wurzel festzuhalten. Max rutscht wortwörtlich auf dem Hosenboden, was Zi und mich nach dem ersten Schreck in einen herrlichen Lachanfall versetzt.
Wer hatte eigentlich die Idee mit dem Wandern im Regen?
Ich tapse in meinen Nikes (deren Sohle zum Glück ebenso viel Profil haben wie Zis) hinterher. Die ersten 30 Minuten Abstieg sind anstrengend. Egal wo man den Fuß hinsetzt, man rutscht. Regen durchnässt uns von oben, Matsch und Schlamm von unten. Es ist kalt und nass und auch 5 Schichten Kleidung – Top, Bluse, Strickweste, Kapuzenpulli, Regenjacke und eine Strickmütze (von der ich eigentlich gehofft hatte, sie nie zu brauchen) machen es nicht besser. Was eine blöde Idee, bei Regen auf eine Trekkingtour zu gehen!
Doch was wir hier freiwillig machen, ist für die Menschen, die in den Bergdörfern um Sa Pa herum leben, normal. Die Frauen und Kinder, die wir an der Kirche getroffen haben und jene, die am Markt sitzen und Gemüse verkaufen, sind diesen Weg im Morgengrauen gekommen. Nicht wie wir, mit einem Rucksack und Wasser, sondern beladen mit schweren Körben mit Ware.
Die Kinder und Familien der Stämme meistern diese Wege jeden Tag – sogar mit Badeschlappen wenn es sein muss
Auf dem Weg kommt uns eine vietnamesische Wandergruppe entgegen. Sie sind noch dreckiger als Max (was kaum zu schaffen ist), einer trägt seine Schuhe sogar in der Hand. Sie fragen Zi nach dem kürzestes Weg zurück nach Sa Pa. Lächelns hilft sie ihnen weiter und schüttelt leicht den Kopf. Es ist nicht die schlauste Idee an so einem Tag zu einer Trekkingtour aufzubrechen – ohne kundigen Führer aber noch viel dümmer. Wir rutschen tapfer weiter.
Plötzlich erscheint Welt um uns herum in einem anderen Lichte
Und werden tatsächlich belohnt. Irgendwann wird der Weg ebener, schlängelt sich an einem Wildbach entlang, Wasserbüffel tauchen im Nebel auf und die ersten Reisterrassen kommen zum Vorschein.
Es ist Winter im Norden Vietnams, daher sind die Reisfelder abgeerntet. In zwei Monaten wird neuer Reis gesät und dann schimmern sie auch wieder grün oder gelb, je nach Reife. Doch selbst der winterliche Anblick verschlägt uns den Atem. Hinter jeder Kurve kommen mehr und mehr Terrassen zum Vorschein. Jedes Mal, wenn wir denken, das ist das perfekte Bild, scheucht uns Zi eine Kurve weiter und wir staunen erneut. Gegen Mittag hört der Regen endlich auf und irgendwann blitzt sogar kurz einmal die Sonne zwischen den Wolken hervor. Es ist nicht unbedingt so, dass es in Sa Pa und den Bergen warm wird, aber warm wird uns mittlerweile vom Wandern.
Zi wandert mit uns über abgelegene Wege, die nur die Einheimischen kennen. Anderen Touristen begegnen wir schon nach kurzer Zeit kaum mehr.
Wir wandern dort, wo selbst ein Motorroller Luxus ist
Unsere Bergführerin ist ungefähr so alt wie ich und doch sind wir Welten voneinander entfernt. Unsere Leben könnten nicht unterschiedlicher sein. Sie lebt in einem kleinen Dorf in der Nähe von Sa Pa und gehört dem Stamm der Black H‘mong an. In Sa Pa gibt es 5 verschiedene Minderheiten. Man kann sie leicht an ihrer unterschiedlichen Stammeskleidung erkennen. Und jeder Stamm hat seine eigene Sprache. Nicht etwa unterschiedliche vietnamesische Dialekte, sondern wirklich komplett verschiedene Sprachen. Bis vor einigen Jahren konnten sich die Bergvölker nicht einmal miteinander verständen. Erst seit man in den Dörfern Schulen gebaut hat und die Kinder vietnamesisch lernen, beginnt man auch Kontakte zu Bewohnern anderer Dörfern zu pflegen. Zi erzählt uns viel über die Kultur und das Leben der Bergbewohner, beantwortet geduldig unsere Fragen und macht uns auf viele Kleinigkeiten aufmerksam.
Wir wandern über kleine Straßen, ausgetretene Wege, entlang von Bächen und zwischen Reisfeldern hindurch. Auf den Feldern stehen Wasserbüffel und grasen – die einzige Hilfe, die die Bauern zum Bewirtschaften der Reisfelder haben. Schwarze Schweine laufen uns grunzend über den Weg. Hühner, Gänse, Hunde. Alle gehören sie irgendeiner Familie, doch es gibt weder Gatter noch Zäune. Das Leben und die Natur verlaufen hier noch wie früher. Welten entfernt vom Leben wie wir es kennen und das komplette Gegenteil vom brummenden, hupenden Rest des Landes. In den Bergdörfern gibt es nicht einmal Autos, wie auch, wenn der Weg nur knapp einen Meter breit ist. Ein Motorrad ist dort oben schon Luxus.
Wir wander dort, wo selbst der in Vietnam normalerweise obligatorische Motorroller purer Luxus ist
Der Weg ist mit unter beschwerlich. Man sieht an Max‘ Hose, dass vieles nicht so läuft wie gewollt
Nur einmal im Jahr neue Kleidung!? H&M ist hier nicht!
Luxus. Ein Wort, dass die Bergvölker vermutlich ganz anders definieren. Zi erklärt uns, dass sie auch ihre Kleidung selbst herstellen. Aus einer Art getrocknetem Strauch zieht sie einen Faden. Aus diesem wird Stoff gewebt den man über mehrere Tage mit Hilfe von Blüten einfärbt, um die entsprechende Stammesfarbe zu bekommen. Damit der Stoff glänzt, wird er dann noch mit einem Stein bearbeitet. Zi zeigt mir stolz ihre glänzende Jacke und erklärt, dass es einmal im Jahr – an Tet – neue Kleidung gibt. Die erkennt man am glänzen. Nach einem Jahr ist das verblasst. Immer mehr wird mir der Unterschied zwischen unserer Lebensart und ihrer bewusst. Hier geht man nicht einfach mal shoppen, weil man gerne was neues hätte, hier gibt’s einmal im Jahr ein neues Gewand. Jedes Jahr das gleiche.
Hier wird selbst Hand angelegt. Der Webstuhl auf dem die traditionellen Kleider gewebt werden
Auf diesem Stein bekommt der Stoff seinen Glanz verpasst
Während ich zur Universität gegangen bin und mich in meinem Job verwirklicht habe, hat Zi drei Kinder großgezogen und ihre Fremdenführerlizenz erworben. Die lässt sich die Regierung natürlich von den Frauen teuer bezahlen. Zi ist stolz darauf, eine zu haben, es sichert ihrer Familie ein gutes Einkommen. Während viele Frauen mit ihren Kindern Armkettchen, Geldbeutel und Schals verkaufen zeigt sie Touristen die Schönheit Sa Pas und verdient damit verhältnismäßig viel Geld. Sie erklärt uns viel über Vietnam und das Leben in den Bergen, lässt uns Zuckerrohr probieren und zeigt uns wie man mit einer Wasser-Schwebekonstruktion Reis mahlt. Obwohl ich selbst auf dem Land aufgewachsen bin, habe ich die wenigsten Dinge so schon einmal gesehen und komme aus dem Staunen kaum raus.
Als wir mittags an einer Berghütte in Y Linh Ho, einem Dorf der Black H‘mong, Rast machen, merke ich erst, wie hungrig ich bin. Das Essen ist einfach, aber unfassbar lecker.
Fazit: Zi ist der einzige Glücksgriff in Sa Pa
Der große Vorteil mit Zi unterwegs zu sein ist auch, dass man nicht permanent an jeder Ecke etwas angeboten bekommt. Darauf legt Zi wert. Jeder hier scheint die kleine fröhliche Frau zu kennen. Englisch hat sie übrigens von den Touristen gelernt und darauf kann sie sich im Vergleich zu vielen anderen wirklich was einbilden. Daher kann sie auch als Guide arbeiten. Sie bietet sogar Homestays in ihrem Haus an und bekocht die Gäste. Wir hatten bereits ein Hotel gebucht (leider), sonst hätten wir ihr Angebot sicherlich gerne angenommen. Für den Rückweg organisiert Zi drei Mofafahrer, die uns die 15 Kilometer vom Dorf Lao Chai nach Sa Pa fahren – alles im Preis inbegriffen.
Unser Lichtblick im Nebel von Sa Pa – Zi, unsere Trekking Führerin
Als ich vollkommen verdreckt auf dem Rücksitz über Schlaglöcher holpere, erwische ich mich im Rückspiegel wie ich übers ganze Gesicht grinse. Wie wir später unsere Schuhe in der Dusche gewaschen und stundenlang trocken geföhnt haben, ist wieder eine andere Sache. Die Trekkingtour mit Zi war selbst bei Regen das beste was wir machen konnten!
Hallo ihr beiden,
mein Freund und ich sind ab morgen in Sapa und würden uns riesig freuen, wenn wir Kontakt zu Zi herstellen könnten.
Wir lieben deinen Blog und haben uns über deinen Artikel über Mui Ne kaputt gelacht. (Den hätten wir mal lieber vor unserer Erfahrung mit den Polizisten lesen sollen ?)
Du schreibst so wunderschön, dass man meinen könnte, man erlebe es gerade selbst!
Einfach spitze!!
Liebe Grüße aus Phong Na
Mari und Manu
Hi ihr zwei,
das ist wohl einer der liebsten Kommenare meines Blogerlebens :) DANKE!
Und der Kontakt zu ZI steht in der Info-Box ganz am Ende des Beitrags. Einfach anrufen. Ihr gesprochenes Englisch ist ganz gut – Schreiben und Lesen ist schwieriger für sie.
Habt ganz viel Spaß in SaPa!
LG
Steffi
Liebe Steffi, irgendwie hatte ich den Bericht ganz übersehen! Wie toll du das geschrieben hast ich habe mich gleich wieder zurück versetzt gefühlt und freue mich, dass ihr trotz Widrigkeiten meinen Tipp mit Zi genauso toll fandet wie ich ❤