Wer schon mal wandern war, weiß, dass es anstrengend werden kann. Wer jedoch auf die Idee kommt ausschließlich über einen Pfad aus Holzstämmen zu wandern, dem sei gesagt es ist verdammt anstrengend!
Direkt vor der Taiwanesischen Millionenstadt Taichung gibt es ein Wandergebiet. Ein ganz besonders. In Da Keng wandert man über hölzerne Stege. Das ganze liegt so nah vor der Stadt, dass man sogar mit dem Bus hinfahren kann. Gesetz des Falls man hat genügend Zeit und will nicht ausgerechnet zu dem einen Pfad, den wir uns ausgesucht haben. Wir haben uns dem Dakeng Trail No4 ausgesucht. Wie wir im Vorfeld lesen konnten, ist er der schönste – aber auch der anstrengendste.
Vor dem Wandern kommt die Odyssee
Also starten wir erst mal mit dem Bus zum Bahnhof. Dort suchen wir ein Taxi. Der Fahrer hat keine Ahnung wo wir hin wollen und fragt erst mal Google Maps. Doofe Idee wie sich noch herausstellen wird. Da es aber weit und breit kein anderes Taxi gibt und er nun recht überzeugt wirkt, steigen wir ein. Auch die Route sieht ganz anständig aus. An der ersten Abfahrt nimmt er erst mal die falsche Abzweigung. Danach fährt er der angezeigten Route nach. Die Strasse wird immer schmaler, es geht steil bergauf und bergab, irgendwann fahren wir nur noch über einen schmalen Weg. Am Ende landen wir auf einer Kuppe im Nirgendwo, vor uns ein grasbewachsener Feldweg. Der Taxifahrer wird immer blasser und fuchtelt wild herum, was vermutlich so viel heißen soll wie, „da fahr ich nicht lang!“. Wir verstehen ihn, auch ohne ihn zu Verstehen – wir wären auch nicht weitergefahren. Sein leicht veralteter Toyota würde es vermutlich auch nicht überleben. Nach kurzer Beratschlagung entscheiden wir uns, mitten im Nirgendwo auszusteigen und zum Trail zu laufen. Sind angeblich nur 1,5 Kilometer. Na dann.
Über Umwege finden wir unseren Pfad
Die Sonne brennt uns auf den Kopf und während ich noch überlege wie dumm es möglicherweise von uns war, uns in der Taiwanesischen Prärie aussetzen zu lassen, huscht über uns ein Affe entlang. Ach wie süß! Wir gehen weiter, vielleicht sehen wir zumindest noch ein paar Tiere. Und plötzlich macht der Weg einen Bogen und wir stehen auf einer zweispurige einwandfrei ausgebauten Strasse. Na super. Und warum laufen wir? Es gab also doch einen echten Weg zum Trail, zig geparkte Autos beweisen das. Und jede Menge Hinweisschilder mit chinesischen Schriftzeichen. Zumindest wissen wir nun, dass es irgendwohin geht und wir auf dem Weg dorthin sind – also weiter.
Wir keuchen einen weiteren Berg hoch, der ungefähr eine 70 Grad-Steigung hat.
Ich entdecke ein Schild und unter den chinesischen Zeichen steht eine winzige 4. Yeah, das ist der richtige Weg. Die vier muss die Nummer des Pfades sein – Dakenk Trail No4! Scheinbar sind wir auf dem unteren Stück von Nummer 3 gelandet.
Zwei Berge und zwei Kurven weiter stehen wir dann vor einer Hängebrücke und einer Hinweistafel – wir haben Trail Nummer 4 gefunden. Tataaaa. Hat uns nur etwa zwei Stunden gekostet dort anzukommen.
Der Dakeng Trail Nummer 4
Ein Warnschild erklärt, dass der Trail nur für fitte Menschen geeigent sei, da es steil bergauf und bergab gehe. Zunächst geht es 300 Stufen nach oben, mit dem Hinweis, man könne hier seine körperliche Fitness testen. Die Stufen schaffen wir mit links. Was dann kommt, damit hatten wir allerdings nicht gerechnet. Der Weg schlängelt sich ausschließlich auf einem schmalen Steg aus Baumstämmen dahin. Es geht steil nach oben.
Anfangs kommen uns noch viele Menschen entgegen, je höher wir kommen, desto weniger werden es. Diejenigen tragen Hightech-Kleidung, riesige Rucksäcke, Safarihüte und wirken als würden sie ein einwöchiges Überlebenstraining im tiefsten Dschungel absolvieren. Wir dagegen haben Shorts und Turnschuhe an und sehen so gar nicht nach Überlebenstraining aus. Ehr nach Fotosafari. Aber der Trail ist auch wirklich jedes Bild wert!
Die Sicht ins Tal ist atemberaubend. Im Smognebel kann man die Hochhäuser Taichungs ausmachen, die in der Sonne glitzern.
Leichter Smog – aber der Blick war trotzdem wundervoll
1,8 KM die sich anfühlen wie ein Marathon im Hochgebirge
Wir klettern höher und höher. Als ich denke wir haben die 1,8 Kilometer bewältigt (ja, so kurz ist das Ding nämlich angeblich) zeigt ein Schild dass wir gerade mal bei 1,1 Kilometern angelangt sind. Bei rund 30 Grad im Schatten und permanenter Steigung ist das ganze ordentlich anstrengend und wir mittlerweile klatschnass (hätten wohl doch noch die Hightech-Wanderausrüstung einpacken sollen).
Immer wieder gibt es Aussichtsplattformen mit kleinen Pavillions in denen Taiwanesen sitzen und auf dem Gaskocher Tee kochen. Wir schleppen eindeutig zu wenig mit uns rum, so ein Gaskocher wäre vielfältig einsetzbar.
Es ist anstrengend. Anders kann man das nicht sagen. Man muss acht geben, wo man hintritt und sich an den Seilen festhalten. Viele empfehlen Handschuhe zu tragen, ich fand es auch ohne problemlos machbar.
Der Aufstieg lohnt sich so unfassbar. Hinter jeder Kurve schlängelt sich der Weg in eine andere Richtung. Die Holzbalken sind teilweise zerfallen, andere wackeln, aber das Erlebnis ist großartig.
Nach etwa 1,5 Stunden und 3 Flaschen Wasser später erreichen wir tatsächlich das Ende des Dakeng Trails und den Verbindungstrail Nummer 5. Trail 4 ist die anspruchvollste Route von allen und dem stimme ich kompromisslos zu (und dafür muss ich die anderen nicht einmal gewandert sein).
Ohne Hilfe wären wir nicht mehr vom Berg gekommen – also hilft Jimmy
Jeweils am Ende von Trail 1,2,3 und vier trifft man auf Trail 5. Um nicht den gleichen Weg zurück zu wandern, wollen wir auf dem Nachbartrail runter, Nummer 3. Als wir das Schild studieren spricht uns ein Taiwanese an und fragt, wo wir hin wollten. Er ist auch auf dem Weg zu Trail 3 und nimmt uns einfach mit. Jimmy heißt er und legt ein ordentliches Tempo vor. Er trainiert für seine erste 3000er Besteigung. Deshalb schleppt er auch einen Rucksack mit 20 Kilo Gewichten rum. Mir reicht schon mein 5 Kilo Rucksack. Jetzt verstehe ich zumindest weshalb manch einer hier bepackt ist wie ein Tourenwanderer – man trainiert.
Jimmy erklärt uns auch, dass der Bus sicherlich nicht mehr fahren würde, er uns aber eine Mitfahrgelegenheit suchen wird. Taiwanesen sind einfach so nett und wollen einem den Aufenthalt im eigenen Land so schön wie möglich machen. So oft sahen wir begeisterte Gesichter, wenn wir erzählten wie toll wir das Land finden.
Trail 3 ist ein ganzes Stück leichter als Trail 4. Immer noch anstrengend aber längst nicht mehr so steil. Bis wir auf eine Abkürzung abbiegen – die einfach geradewegs nach unten geht. Es fühlt sich ein wenig an, wie eine alte morsche Leiter runterzuklettern. Allerdings eine, bei der jede zweite Sprosse fehlt und das Ganze noch vorwärts.
Steil geht`s bergab
Runter gehts mit einer kostenlosen Rettungs-Mitfahrgelegenheit
Dafür kommen wir direkt um die Ecke am Startpunkt von Trail 4, ein Stück oberhalb der Camping Area raus.
Meine Beine fühlen sich an wie Pudding, mein Shirt ist klatschnass. Ich weiß nicht, welchen Eindruck wir auf den Herrn machen, der gerade vom sonntäglichen Familien-Grillausflug kommt und bei dem
Jimmy uns direkt eine Mitfahrgelegenheit in die Stadt auscheckt. Mehrere Familien sind gerade auf dem Rückweg, allerdings spricht niemand ein Wort Englisch, irgendwie klappt’s trotzdem mit der Kommunikation. Der nette Herr packt uns also auf den Rücksitz, drückt uns direkt noch seine Visitenkarte in die Hand und Jimmy übersetzt ein letztes Mal: wir sollen doch anrufen, wenn wir irgendwelche Probleme hätten. Seine Tochter würde auch Englisch sprechen. Dann kommt er und hilft uns. Zu nett einfach. Erst mal reicht uns, dass er uns mit in die Zivilisation nimmt! Und siehe da, die Strasse die er in die Stadt fährt hat so gar nichts mit dem Feldweg zu tun, über den wir hoch gefahren sind.
Zurück in der Zivilisation
Um 17:20 sind wir wieder in der Zivilisation. Der nette Mann setzt uns an der Polizeistation ab und deutet darauf. Scheinbar meint er, wir könnten uns von diesen zum Hotel bringen lassen. Der ist ja lustig. Aber ich zweifle keine Sekunde daran, dass die Polizei das sogar machen würde! Nebenan ist allerdings auch eine Bushaltestelle. An der wir einfach in den nächsten Bus Richtung Stadt steigen, unser Hotel* finden wir schon. Nachdem wir diese Odyssey gemeistert haben, sollte das das kleinste Problem sein.
Mega! Als ich euren Beitrag gelesen habe, fühlte ich mich direkt an mein Erlebnis auf dem Dakeng No. 4 erinnert. Nicht nur der Weg, sondern auch das Ende. Wir hatten uns damals mit einem Taxi zum Parkplatz am Trailhead bringen lassen, uns aber überhaupt keine Gedanken dazu gemacht, dass wir ja auch wieder irgendwie zurück kommen müssen. Letzten Endes gabelte uns ein Taiwanese mit seinem Sohn auf und brachte uns ebenfalls zur nächsten Polizeistation, wo man uns dann ebenfalls ein Taxi rief, welches uns zu unserem Hotel zurück nach Taichung brachte! Scheint also öfter zu passieren. :-D
Haha! Wie lustig, dass das auch anderen passiert.
Freut uns zu hören, dass wir nicht die einzigen sind, denen es so gegangen ist. Eine gute Geschichte hat man damit aber jedenfalls immer zu erzählen ;)
Viele Grüße!
Steffi