Von Palmöl hat sicherlich jeder schon mal gehört. Doch Hand aufs Herz, was wisst ihr wirklich darüber. Außer dass es einen schlechten Ruf hat und in Nutella steckt? Seit unserem Besuch bei den Orang Utans im Dschungel von Sumatra beschäftig mich dieses Thema. Doch was haben diese faszinierenden und uns so ähnlichen Tiere mit Palmöl zu tun?
Auf der ganzen Welt gibt es nur noch zwei Inseln, auf denen Orang Utans in Freiheit im Dschungel leben: Sumatra und Borneo. Aus dem einzigen Grund, dass sie dort noch überleben können. Die Betonung liegt auf noch, denn anstatt dieses Orte zu schützen, holzt man munter weiter Regenwald ab, um Palmöl-Plantagen zu bauen, allen voran in Indonesien und Malaysia. Das mussten wir auch immer wieder auf unseren Reisen sehen: Ölpalmen in Reih und Glied über hunderte und aberhunderte Kilometer; aus dem Autofenster auf Sumatra, im Anflug auf Kuala Lumpur. Umwelt- und Klimatechnisch eine Vollkatastrophe!
Anflug auf Kuala Lumpur: Palmöl-Plantagen soweit das Auge reicht
Der Anfang: eine App & eine Idee
Seit wir zurück sind, schaue ich bei vielen Dingen genauer hin was drin ist, angefangen habe ich bei so simplen Dingen wie Shampoo, Duschgel oder Bodylotion (mittlerweile erstreckt es sich über weitaus mehr, aber irgendwo muss man ja anfangen). Dafür habe ich mir die App Code Check runtergeladen (nein, keine Werbung, die App ist kostenlos und echt super) und scanne mich mit meinem iPhone lustig durch die Drogerie. Ich dachte immer, Shampoo und Co. sei der überwiegende Batzen in dem wir Palmöl verwenden. Und dachte, ich sei suuuper gut informiert und auch total vorbildlich. Weil ich halt jetzt Haarshampoo ohne Palmöl habe. Aber denkste…
Seit dem habe ich viel gelernt – auch dass ich bis dato keine bis wenig Ahnung von der Materie hatte. Um auf das Problem mit den Orang Utans aufmerksam zu machen, hatte ich meinem Chef vorgeschlagen, einen Fernsehbeitrag zum Thema Palmöl zu drehen. Und er so: „Verzichte doch mal zwei Wochen auf Palmöl“. Gesagt, getan. Easy, dachte ich. Was ich dann jedoch bei der Recherche, im Gespräch mit Experten und über meinen eigenen Palmöl-Konsum gelernt habe, hatte ich so nicht erwartet. Am Ende habe ich mich fast ein bisschen schlecht gefühlt. Nunja, nicht fast ein bisschen, ich hab mich schlecht gefühlt!
Die schonungslose Info, was sich in einem Produkt versteckt
Wenn ihr es geschafft habt bis hierhin zu lesen, Glückwunsch. Allerdings geht’s jetzt erst los. Ich will euch nicht belehren oder die Moralkeule schwingen. Ich will euch vielmehr aufzeigen was ich gelernt habe und was man ohne großen Aufwand ändern kann.
Palmöl in Lebensmitteln?
Palmöl ist in jedem zweiten Produkt im Supermarkt enthalten – im Essen und in Kosmetika, in Putzmittel, Waschmittel und im Biosprit. Da musste ich erst mal schlucken. Palmöl wird überwiegend in Südostasien unglaublich billig produziert und hat die perfekte Beschaffenheit für Lebensmittel. Denn im Vergleich zu anderen Fetten und Ölen hat es einen ziemlich niedrigen Schmelzpunkt. Man muss es nur minimal erwärmen, dann wird es schön cremig – denkt mal an Nutella und warum die sich so wunderbar verstreichen lässt, dann versteht ihr, was Palmöl so attraktiv macht. Auch in Schokolade mit cremiger Füllung, in Karamellbonbons, in Kinderschokolade und dem ganzen Drum und Dran ist es drin. Und vor allem in Tiefkühlessen und fertig verarbeiteten Dingen.
Gut, denke ich, haben wir gar nicht so viel zuhause. Nutella gibt’s bei uns eh nicht. In Max Schoko- und Bonbon-Vorrat entdecke ich es aber zuhauf. In den Dumplings vom Asiamarkt (gut, da hat es mich aber auch nicht überrascht). Fragwürdig finde ich es doch in der Gemüsebrühe, ich wäre nicht mal auf die Idee gekommen, dass es dort enthalten sein könnte. Bei Margarine und Frischkäse achten wir schon länger drauf. Puh, Glück gehabt, in der Küche schneiden wir mit 7 Produkten recht Regenwald-freundlich ab. (Und selbst die haben wir mittlerweile gegen andere ersetzt).
In Lebensmitteln ist Palmöl leicht zu erkennen
Die List an Lebensmitteln, die Palmöl enthalten ist lang; doch es ist leicht zu erkennen, wo das billige Fett steckt. Denn seit 2014 müssen die Hersteller auf sämtlichen Produkten eine Zutatenlisten angeben, also kann man es problemlos nachlesen. Und wenn ich mal unsicher bin, scanne ich die Sachen. Das klappt echt gut. Kann man Palmöl vermeiden? Beim Essen lässt sich die Frage ganz leicht mit ja! beantworten. Am einfachsten ist es, wenn ihr selbst kocht – mit frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln.
Palmöl im Badezimmer
Und dann kommt das Badezimmer dran. Gar kein Problem, denke ich ganz blauäugig; da habe ich ohnehin längst nicht mehr so viel Kram wie vor der Weltreise. Und bei neu gekauften Dingen drauf geachtet. Dachte ich jedenfalls. Pustekuchen. In den Schränken versteckt sich so einiges. Und gefühlt steckt überall Palmöl drin: im Deo, im Makeup, in Abschminktüchern und in Cremes. Nach 10 Minuten bin ich recht blass um die Nase. Vor allem ist es in Dingen, in denen ich es nie erwartete hätte – wie in der Wimperntusche oder im Kajal. Ernsthaft, ich schmiere mir täglich Palmöl auf die Wimpern??
Und bei ganz vielen Produkten kann ich gar nicht rausfinden, ob Palmöl enthalten ist, denn es gibt keinen Barcode. Vermutlich war der mal auf der Verpackung. Verständliche Zutatenlisten – Fehlanzeige. Teils klingt es eher chinesisch, etwa 60% der Wörter kann ich beim ersten Versuch nicht mal aussprechen. Schon mal versucht eine Liste mit Inhaltsangaben auf der Bodylotion vorzulesen? Viel Spaß dabei. Und auch wenn Palmöl drin ist, steht das noch lange nicht drauf. Ist es nämlich weiterverarbeitet, kann es sich hinter zig Namen verstecken. Wer mehr wissen möchte, hier findet ihr eine Liste mit allen Namen, hinter denen sich Palmöl versteckt.
Schon mal versucht die Inhaltsangaben auszusprechen?
Palmöl in Kosmetika – drin oder nicht drin?
Immerhin hilft mir die App. Aber bei etwa der Hälfte der Produkte sagt sie: kann Palmöl enthalten. Hm, was jetzt? Drin oder nicht? Tatsächlich kann man das nicht sagen. Bei Kosmetik ist es nämlich so, dass sich bestimmte Inhaltsstoffe aus unterschiedlichen Ölen oder Fetten herstellen lassen; am Ende also zum gleichen Resultat führen. Und so verarbeiten die Hersteller das, was gerade verfügbar ist. Es kann also Palmöl verarbeiten werden, es kann aber auch ein anderes Öl sein. Am Ende weiß lediglich der Hersteller, was wirklich drin ist.
Wie so oft: kann Palmöl enthalten
Nungut, nach einer halben Stunde ist mir im Badezimmer eher zum Heulen zumute. Ich habe einen kleinen Berg mit Dingen, in denen definitiv Palmöl drin ist (immerhin keine neu gekauften Sachen) und einen riesigen Berg bei dem ich nicht weiß, ob es drin ist. Na toll. Hier kann man lediglich die Hersteller anschreiben und auf die Antwort warten. Aber wer macht sich schon die Arbeit? Und wenn man gerade in der Drogerie steht, ist so eine Email auch eher unpraktisch.
Und mal ganz ab der Palmölproblematik; seit dem ich Produkte scanne frage ich mich generell, was ich mir jahrelang auf die Haut geschmiert habe: erdölhaltige Substanzen in der Bodylotion (Erdöl, ernsthaft?!?), Aluminium im Deo, Parabene die hormonell wirken können, Mikroplastik. Je mehr ich scanne und je mehr ich mich damit beschäftige, desto übler wird mir.
Als Alternative zur Code Check App finde ich die App Yuka super. Mit dieser lassen sich Lebensmittel und Kosmetika scannen und man bekommt einen guten Überblick über die Inhaltsstoffe. Der Vorteil: die App schlägt einem Alternativen zu den gescannten Produkten vor. Der Nachteil: speziell nach Palmöl kann man nur in der Vollversion filtern.
Im Zuge meiner Recherche spreche ich mit Gesche Jürgens von Greenpeace. Sie gibt mir den Tipp bei Kosmetik vor allem auf Naturkosmetik zu setzen und sagt, sie verwendet Produkte, bei denen sie die Zutaten auch essen würde. Klingt gut, damit kann ich was anfangen.
Siegel & Rechtfertigungen für’s gute Gewissen
Und was hat es mit den ganzen Siegeln und Zertifizierungen beim Palmölen auf sich? Ebenso schwer zu sagen und viele Labels sind eher Schein als Sein. Sehr bekannt ist das RSPO-Siegel (roundtable for sustainable palmoil). Am sog. Runden Tisch setzt man sich offiziell für einen nachhaltigen Anbau ein, die Abholzung des Regenwalds wird jedoch generell nicht verboten – nur die von besonders schützenswerten Wäldern. Ah ja… Irgendwie wirkt es für mich, als wollten die großen Konzerne mit so einem Siegel Palmöl wieder salonfähiger machen. Und außerdem kann man sagen, man hat was getan.
Palmöl ist nicht gleich Palmöl – man kann zumindest auf das Siegel achten
Da ist die Kennzeichnung „Bio-Palmöl“ einen Schritt weiter und unterliegt weitaus strengeren Kriterien. Hier arbeitet man ganzheitlicher; heißt, man achtet darauf wo es angebaut wird und auf die Menschen, die auf den Plantagen arbeiten; ebenso auf die Umwelt und die Tiere. Wenn also Palmöl, dann Bio-Palmöl, lege ich für mich fest.
Schadet Palmöl unserer Gesundheit?
Und eigentlich dachte ich an dieser Stelle, ich hätte alles über Palmöl gelernt. Doch dann stoße ich auf den gesundheitlichen Aspekt und mir wird noch ein bisschen übler. Als ich mit einer Ernährungsmedizinerin telefoniere sagt sie als erstes exakt diesen Satz zu mir: „Palmöl macht fett, süchtig und krank.“ Schluck. Palmöl sei aus ernährungsmedizinischer Sicht sogar noch schlechter als Zucker! Und da dachte ich immer Zucker sei der größte Buhmann.
„Palmöl, das geheime Gift“ lese ich immer wieder. Ich bin nicht der Typ für Verschwörungstheorien oder Hysterie. Doch wie ungesund ist Palmöl wirklich? Ich lese einige Beiträge von Medizinern, die mich doch skeptisch machen, vor allem die Aussage, Palmöl soll krebserregend sein. Italienische Forschungen sind zu dem Ergebnis gekommen, Palmöl sei krebserregend; bzw. dass – je nach Verarbeitung – krebserregende Stoffe entstehen können. Also nur können. Da man als Verbraucher aber nie weiß, wie es verarbeitet wurde, kann man auch nicht einfach sagen, das schlechte lässt man weg.
In Spanien hat man festgestellt, dass Metastasen auf Palmfett abgehen. Generell sollen sie durch Fette besser zu wachsen, Palmfettsäure scheint jedoch das Nonplusultra. Ich bin sicherlich keine Expertin und auch keine Medizinerin und erzähle euch hier lediglich was ich im Gespräch mit Medizinern gelernt habe. Aber dass sich so viele Bekannte, die an Krebs erkrankt waren, bewusster und natürlicher ernähren, scheint ja einen Grund zu haben.
Und was verändert sich?
In Italien haben diese Studien zumindest zu Ergebnissen geführt: dort weigern sich einige Supermärkte seit dem Produkte mit Palmöl zu verkaufen und haben sie komplett aus dem Sortiment verbannt. In Österreich verzichtet Spar auf Palmöl in der Hausmarke. Der englische Tiefkühlproduktehersteller Iceland produziert seit 2019 komplett Palmölfrei. Und in Deutschland? Tja, in Deutschland konnte ich kein einziges größeres Unternehmen finden, das damit wirbt, Palmöl-frei zu produzieren (abgesehen von kleinen Unternehmen, die ohnehin auf Bio und Natur setzen). Aber die breite Masse? Fehlanzeige. Und echt traurig!
Das Palmöl-Problem: ohne ist auch keine Lösung
Und jetzt, Ende der Geschichte? Leider nein. Denn jetzt kommt noch die Krönung. Sämtliche Umweltorganisationen sagen: ein kompletter Palmöl-Boykott ist nicht die Lösung! Hä, wie jetzt?
Die Ölpalme ist nämlich an und für sich keine schlechte Pflanze und vor allem super ergiebig. Würden wir sie mit etwas mehr Weitblick anbauen, wäre es auch nicht mehr die ökologische Vollkatastrophe. Das meiste Palmöl wird wenig nachhaltig angebaut: man holzt Regenwald ab und legt gigantische Plantagen an, zerstört die Umwelt und nimmt Tieren wie Orang Utans oder Tigern ihren Lebensraum.
Und zusätzlich schaden wir auch noch hardcore unserem Klima. Denn die Regenwald-Böden sind meist Torfböden, die Kohlenstoff speichern. Legt man Palmölplantagen an, legt man die Torfböden trocken und der darin gespeicherte Kohlenstoff wird in Form von Kohlendioxid (Co2) freigesetzt. Es entstehen also jede Menge Treibhausgase, die zur Erderwärmung beitragen. Klingt mega kompliziert, ist aber ganz einfach: eine Voll-Katastrophe! Denn was wir definitiv nicht brauchen, ist eine zusätzliche Erderwärmung.
Blick durchs (dreckige) Flugzeugfenster: Palmölplantage in Asien
Doch jetzt der Grund, weshalb wir eigentlich nicht auf Palmöl verzichten können: würde man alle Produkte mit Palmöl durch andere Öle ersetzen, würden wir nur neue Probleme schaffen. Soja, Raps oder Kokos sind bei weitem nicht so ergiebig; man würde viel, viel mehr Platz für den Anbau brauchen als für Palmöl und das Problem nur in andere Regionen dieser Welt verlagern. Ein Palmöl-Boykott kann also auch nicht die Lösung sein, vielmehr sollten wir genauer hinschauen, was für Palmöl es ist und wie es entstanden ist. Die Frage ist also nicht: Wie schädlich ist Palmöl für die Umwelt? Sondern vielmehr: Wie können wir Palmöl umweltfreundlich anbauen?
Was mich bei diesem Thema am meisten überrascht hat: 40-50% unseres gesamten Palmölverbrauchs landet übrigens im Tank! Genau genommen im Biosprit, der von der Regierung wiederum subventioniert wird. Und dabei handelt es sich natürlich nicht um Bio-Palmöl-Anbau nach strengen Vorgaben, sondern vermutlich um jene Plantagen, die unsere Welt noch ein wenig schneller kollabieren lassen. Und mal ehrlich, da könnte man locker entgegenwirken. Muss die Regierung lösen, könnte man jetzt einfach sagen; einerseits ja (Update: ab 2023 läuft die Förderung aus!), andererseits können auch wir mithelfen, indem wir öfters mal das Auto stehen lassen und mit dem Rad oder Zug fahren oder zu Fuß gehen. Check, immerhin hier kann ich sagen, mache ich.
Das Palmöl-Problem: Was können wir tun?
Und jetzt? Sicherlich habt ihr längst gemerkt, dass Palmöl kein leichtes Thema ist. Ich habe für mich zwei Dinge festgemacht: Ich achte in Zukunft noch mehr darauf, was ich einkaufe und was in den Produkten drin ist. Man kann bei Lebensmitteln wirklich problemlos auf konventionelles Palmöl verzichten. Es ist weder teurer, noch umständlicher, man muss sich nur die Zeit nehmen, hinzuschauen. Wir brauchen nicht rigoros auf alles verzichten, doch es hilft, wenn wir uns Gedanken machen, wo wir unseren Palmöl-Verbrauch reduzieren können oder – wenn es nicht anders geht – Produkte mit Bio-Palmöl kaufen. Bei Kosmetik klappt das ganz gut. Mittlerweile habe ich ohnehin vieles durch Naturkosmetik ersetzt und arbeite weiter daran. Bei Lebensmitteln will ich in Zukunft lieber ganz darauf verzichten.
Tja, anfangs wollte wegen der Orang Utans auf Palmöl verzichten, jetzt habe ich auch noch ein paar Gründe mehr: Für die Tiere, für die Umwelt, für das Klima, für die Menschen, die es anbauen und vor allem für mich selbst.
Das war jetzt ein ziemlich langer Artikel – und wenn du bis hierhin gelesen hast, dann erst mal DANKE für deine Aufmerksamkeit. Ihr seht, das Thema liegt mir echt am Herzen. Dass sich hinter so einer einfachen Frage so viele Aspekte verbergen können, war mir am Anfang des Artikels auch nicht klar. Habt ihr euch schon mal mit dem Thema beschäftigt? Wenn ja, wie geht ihr damit um? Lasst mir doch gerne einen Kommentar da.
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