Corona. Vorige Woche sprach ich noch vom „bösen C-Wort“. Und ich will ganz ehrlich sein, der Hype darum ging mir dezent auf die Nerven. Ich bin niemand, der schnell in Panik gerät oder hysterisch wird. Ich bin analytisch und verschaffe mir gerne selbst ein Bild. Doch nun muss ich ehrlich zugeben, wir haben die Situation unterschätzt! Denn spätestens vergangenes Wochenende begann mich ein echt mieses Gefühl zu beschleichen. Ich will noch immer keine Panik verbreiten. Aber ich will sagen, bleibt zuhause!

#StayTheFuckHome

Wir wollen ganz ehrlich sein, bis vor etwa 10 Tagen noch fanden Max und ich all die Covid-19 News in den vergangenen Wochen etwas übertrieben. Als Anfang März die ITB abgesagt wurde, haben wir uns wie viele andere Reiseblogger darüber geärgert, auch wenn wir es irgendwo einsehen konnten. Aufgrund der ziemlich kurzfristigen Absage waren bereits viele Veranstalter und Blogger in der Stadt; also traf man sich im Kleinen. Die Tage waren geprägt von Corona-Witzen und der Diskussion ob das Ganze nicht total übertrieben sei. Hinzu kam und kommt, dass ich als Journalistin arbeite; so bekomme ich häufig einen kleinen News-Overload – während ihr vielleicht zwei-, dreimal am Tag News schaut, lest oder hört, beschäftige ich mich den lieben langen Tag damit. Einerseits verfolgte ich die Corona Verbreitung also mit riesigem, beruflichem Interesse, andererseits konnte ich die ganze Sache schon vor zwei Wochen kaum mehr hören.

Die mysteriöse Lungenentzündung

Ich hatte bereits am 1.1. in der Zeitung in Hong Kong davon gelesen. Eher durch Zufall. Ich blätterte an diesem Neujahrsmorgen die Zeitung durch, weil mich interessierte, was man über die Proteste in der Silvesternacht schrieb, die wir selbst miterlebt hatten. Später wollten wir zur großen Demonstration nach Hong Kong Island rüber fahren, wo Millionen Menschen für die Freiheit Hong Kongs demonstrieren sollten. Und so stieß ich auf eine Meldung über einen „mystery viral flue outbreak“; wegen dem bereits 27 Menschen im Krankenhaus behandelt würden, 7 davon seien in kritischem Zustand. Keine Zahl wegen der man sich Sorgen machen würde. Die Betroffenen seien überwiegend Verkäufer eines Fischmarkts in Wuhan. Ich checkte damals kurz bei Google, wo dieses Wuhan liegt – über 900 Kilometer von Hong Kong entfernt auf dem Festland Chinas. Also weit genug weg. Alles Gut.

Corona erster BerichtIn dieser Zeitung las ich am 1.1.2020 zum ersten Mal von Covid-19

Wir verließen Hongkong am 5. Januar, kurz darauf traten auch dort die ersten Fälle auf. Und auch als wir Ende Januar nach Deutschland zurückkehrten, schien Covid-19 – das zu diesem Zeitpunkt immerhin einen Namen hatte – noch verdammt weit weg. Tja, lang ists her – das war einmal.

Hamsterkäufe & geplünderte Regale

Zeitsprung. Wir sind im März – der 3. März um genau zu sein. Ich war einkaufen und ziemlich geschockt und irritiert über geplünderte Regale. Ich weiß es noch so genau, da ich eine Instastory gemacht hatte und mich tierisch darüber aufgeregt habe! In der Drogerie stand ein Vater neben mir, der seine kleine Tochter lauthals anschrie, sie solle aufhören die Parfumflaschen anzufassen, die hätten alle Corona! Gestern wie heute wohl eine etwas übertriebene und hysterische Reaktion – aber sei’s drum, jeder reagiert anders. Auf meine Story bekam ich jedenfalls so viele Nachrichten wie lange nicht mehr. Es schien euch echt zu beschäftigen…

corona spaßEin bisschen Spaß muss sein: Eure Vermutungen für’s Klopapierhamstern

Seit dem wird in der Stadt gehamstert was das Zeug hält. Anfang März war lediglich Desinfektionsmittel, Klopapier, Seife, Nudeln und Mehl ausverkauft. Zwei Wochen später hamstern die Menschen noch immer. Oder noch viel mehr. Am Montag gab es im Supermarkt kein Brot mehr, keine Milch, kein Gemüse. Selbst Knoblauch und Zwiebeln waren bis auf den letzten Krümel verschwunden. Und in der Drogerie war selbst das Haarshampoo ausverkauft!

So sahen zeitweise die Regale im Supermarkt aus

Update vom Freitag Abend: heute war der Supermarkt mehr als gut gefüllt – wir haben also ganz ausdrücklich KEINE LIEFERPROBLEME!

Corona Supermarkt20.3.2020: Klopapier direkt am Eingang & die Botschaft: Es gibt genug für alle!

Auch wir haben dann voriges Wochenende zumindest mal eine Packung Nudel und eine Dose Tomaten gekauft. Und Mehl, weil es leer war. Und als ich da vergangenes Wochenende im Supermarkt stand und sah, wie die Leute 3 Packungen Klopapier aufs Kassenband legten, habe ich mich tatsächlich dabei erwischt, wie ich kurz überlegt habe, ob ich mir nicht auch lieber noch eine Packung holen sollte. Irgendwie bekommt man sofort das Gefühl, dass man auch „mehr“ mitnehmen müsste, nur weil alle um einen herum das gerade tun. Verrückt, oder?!
Nein, ich habe kein Klopapier geholt, da wir noch genau eine Packung Zuhause haben. Und da wir nicht alle in diesen unüberlegten, panischen Kaufrausch verfallen dürfen! Wir sollten einfach mal kurz innehalten, durchatmen und rational nachdenken. Auch wenn’s vielleicht schwer fällt… Was an der Klopapier-Panik dran ist, konnte ich bislang ohnehin nicht verstehen. Denn wenn man mal ganz nüchtern darüber nachdenkt: Klopapier sichert nicht das Überleben! Ist vielleicht dumm, wenn man keins mehr hat, aber andere Nationen nutzen erst gar keins. Ich könnte es verstehen, wenn die Leute bei einer Dürre anfangen Wasser zu bunkern. Aber Klopapier, ernsthaft?!

Klopapier und CoronaDas beliebteste Produkt in Corona-Zeiten: Klopapier

Nungut, eigentlich war ich schon drüber weg, mich über Klopapier-Hamsterer aufzuregen. Viel schlimmer ist es, dass nun auch die Lebensmittelregale leer sind. Und alte Menschen mit ihrem Rollator durch den Supermarkt irren, in der Hoffnung auch noch was zu finden. Das sind keine Gerüchte oder nette Presse-Inszenierungen – das ist echt die Realität. Und in Berlin schlägt die gerade ganz schön hart zu.

Verhindert die Verbreitung aka bleibt Zuhause!

Aber sehen wir es mal so, die Leute haben also gehamstert. Und somit könnten sie nun ja getrost zuhause bleiben und es aussitzen. Die meisten vermutlich gleich 4 Wochen, so viel Vorräte wie sie angelegt haben. Aber was passiert stattdessen?! Man geht raus. In Cafes und Restaurants, man trifft sich in Parks und auf Spielplätzen, beim geselligen Beisammensein. Als ich am Dienstag durch Berlin lief, konnte ich es kaum fassen, als ich am Mittwoch unterwegs war, bekam ich die pure Wut!

Ja, ich laufe (noch) durch Berlin. Leider. Gerne würde ich ins Homeoffice gehen und mich auch in meinem kleinen Reich freiwillig quarantieren. Aber das geht bei meinem Job als Reporterin schlecht. Ich bin die, die noch immer draußen ist und über diese Absurditäten berichtet. Beispielsweise, wie die Menschen mit dem „Bitte bleibt zuhause“ Aufruf der Regierung und Virologen umgehen. Am Mittwoch Morgen hatte ich wirklich das Gefühl, es sei weniger los, dass die Menschen es langsam verstehen würden. Aber scheinbar haben einfach nur alle noch in ihren Corona-Ferien ausgeschlafen. Zwei Stunden später herrschte ein munteres Treiben auf den Straßen. Klar, weniger als sonst, aber noch immer viel zu viel. Cafes waren gut besucht, auf dem Spielplatz türmten sich die Kinder und spätestens auf dem Tempelhofer Feld bekam ich den Eindruck die Menschheit ist kollektiv dumm.
Eine Runde an der frischen Luft zu drehen, ist ja nach wie vor ok. Und bei der Größe eines Flughafens (und nichts anderes war das Tempelhofer Feld mal) sollte das selbst in einer Stadt wie Berlin kein Problem darstellen. Doch was tat man? Man versammelte sich rund um den Eingang vor einem Live-Musiker, die Kinder tanzten Eis schleckend vor ihm, Grüppchen von Freunden saßen auf den Bänken nebeneinander wie die Hühner auf der Stange oder auf der Wiese Bier trinkend in Grüppchen. Es herrschte ausgelassene Stimmung. Es war genau einer dieser ersten, lauen Frühlingsabende auf dem Tempelhofer Feld. Diese ersten Abende des Jahres, an denen man ohne zu erfrieren die Schönheit des Sonnenuntergangs genießen kann. Nur dass es dieses Jahr anders ist. Anders sein sollte! Leerer. Ohne Versammlungen und Treffen.

Ich will hier nicht der Spaßverderber sein, aber man hat Firmen, Universitäten, Schulen und Kitas nicht geschlossen, damit sich die Massen anschließend zum Feierabendbier oder zum Sandkasten-buddeln verabreden. Sondern dass man zuhause bleiben kann.

Der Versuch von anderen Abstand zu halten

Ich bin selbst noch unterwegs, weil ich kein Homeoffice machen kann. Weil es mein Job ist, genau darüber zu berichten. Auch wenn die Zweifel an mir nagen und langsam lauter werden. Ich mache mir weniger Sorgen darum, dass ich daran erkranken könnte, sondern vielmehr darüber, was wenn ich es habe und andere anstecke?! Ich möchte nicht diejenige sein, die andere krank macht und das Virus verbreitet. Also versuche ich Abstand zu anderen zu halten. In der Bahn, auf der Straße, im Supermarkt. 1,5 Meter. Was verdammt schwer ist!

Auf den Bahnsteigen sollte das eigentlich kein Problem sein, denn mittlerweile sind wirklich viel weniger Menschen unterwegs. Doch was passiert? Kaum steht man irgendwo, stellt sich der nächste daneben. Steigt man aus der Bahn aus, steht schon jemand in der Tür und springt einem entgegen während man versucht sich rauszuquetschen, während es (ausnahmsweise) eigentlich gar keinen Grund zum quetschen gibt. Was an Abstand halten ist so schwer zu verstehen?

Die Absurdität erlebte ich da auch beim Dreh auf dem Tempelhofer Feld. Als wir auf dem Rückweg waren, baute sich eine junge Frau vor mir und meinem Kameramann auf, packte mich am Ellenbogen und blaffte uns an, was wir hier filmen würden. Meine Antwort: „Menschen, die in Zeiten von Corona keinen Abstand zueinander halten.“ Glaubt ihr, sie sei auch nur einen Millimeter gewichen?! Also habe ich einen Schritt nach hinten gemacht – und sie folgte. Ja, wir sind so erzogen worden, bei Unterhaltungen nahe beieinander zu stehen. Doch vielleicht bekommt man es in Zeiten von Corona – wenn man schon nicht gecheckt hat, dass es nicht mehr die Zeit ist sein Feierabendbier im Park zu trinken – zumindest hin, Abstand zu anderen zu halten!

In der Bahn wird die Situation von Tag zu Tag bedrückender. Immer mehr Menschen tragen einen Mundschutz, kommen einem aber trotzdem noch nahe. Sobald jemand hustet, schaut man sich um. Ich ertappe mich immer häufiger, wie wütend man auf andere Menschen reagieren möchte. Doch das darf nicht die Lösung sein. Viele Menschen werden auch weiterhin unterwegs sein müssen, weil sie einfach kein Homeoffice machen können. Ärzte und Krankenpfleger, Verkäufer*innen und Ordnungshüter. Menschen, die einfach ins Büro, ins Krankenhaus, in die Praxis oder auf die Dienststelle müssen und denen nichts anderes übrig bleibt als rauszugehen. Jene, die unsere Gesellschaft am Laufen halten (an dieser Stelle ein fettes DANKE!). Also bitte: Haltet Abstand zueinander, damit diese Menschen uns auch morgen noch helfen können!

Corona und NahverkehrDie Trams sind mittlerweile sehr leer, die Ubahnen leider nicht

Und ja, mir sind auch einige Good-News auf meinen Wegen begegnet. Nachbarn, die sich plötzlich kennenlernen und gegenseitig unterstützen. Bäckereien, die mit Absperrbändern ihre Mitarbeiter schützen; Supermärkte, die mit Klebefolie und Markierungen auf’s Abstand-halten hinweisen. Unterstützt sie. Bleibt nett, bleibt hilfsbereit. Es gibt keinen Grund, sich um die letzte Dose Ravioli zu prügeln, Klopapier zu horten oder sich (wie in den USA) gar zu bewaffnen. Es ist eine Virus und kein Grund uns gegenseitig zu zerfleischen. Doch es ist an der Zeit zu handeln – indem wir zuhause bleiben.

Corona in CafesKlare Botschaft: Es ist nicht die Zeit im Cafe zu sitzen!

Wir sehen Italien und sind erschrocken über die Bilder und Meldungen dort. Doch warum fällt es uns so schwer dann einfach zuhause zu bleiben?
Warum begreifen so viele noch immer nicht den Ernst der Lage? Covid-19 ist keine Weltverschwörung, es ist ein ziemlich reales Virus. Selbst Mr. Trump und seine Anhänger mussten das mittlerweile einsehen, nachdem sie es anfangs noch munter als Gerücht der Demokraten zur Wahlkampf-Beeinflussung abgetan haben. Und dann gibt es noch jene, die jammern und nichts davon hören wollen.

Ein Reiseblog in Corona-Zeiten?

Es ist nicht mehr die Zeit zum Reisen. Am Montag habe ich auf Facebook ein Posting gelesen, wie man jetzt noch nach Bali kommen könnte – die günstigen Flüge über Istanbul und Singapur würden schließlich wegfallen. Ganz ehrlich? Ich bekam so eine Wut. Wer jetzt noch ans Reisen denkt, dem ist echt nicht mehr zu helfen. Ja, es ist echt ärgerlich, wenn der langersehnte Urlaub abgesagt wird oder werden muss. Aber andere kämpfen da draußen um ihr Leben. Wortwörtlich oder auch ums finanzielle.

Ja, Covid-19 ist echt besch… Auch uns hat es einige Reisepläne zerschossen. Aufträge wurden abgesagt, Einladungen storniert. Und unsere Zahlen sind gewaltig eingebrochen, da brauchen wir nicht groß drum rumreden. Glücklicherweise sind Max und ich in der Situation, dass wir nicht ausschließlich auf die Einnahmen des Blogs angewiesen sind. Doch vielen Selbstständigen steht schon jetzt das Wasser bis zum Hals. Sie bleiben zumindest zuhause, weil ihnen klar ist, dass es sich sonst nur noch weiter rauszögert und die Situation noch schlimmer macht. Es ist nervig und ätzend und ärgerlich. Aber wir können es nicht ändern. Es wird nicht einfach verschwinden indem wir trotzig sind.

Wenn es die Zeit zulässt, werden wir auf dem Blog auch in den kommenden Wochen ein wenig neuen Reisecontent hochladen, um euch die Zeit des Abwartens mit Bilder zu versüßen und für spätere Pläne zu inspirieren. Aber auch wir wissen nicht was kommt. (Durch meinen Job bleibt momentan kaum Zeit für anderes, aber wir werden sehen.) Noch sind wir und unsere Familien gesund und hoffen, dass es auch so bleibt.

Es mag ärgerlich sein, dass wir unsere Pläne wegen Covid-19 ändern müssen. Unsere Träume verschieben oder absagen müssen. Aber es geht um unsere Gesundheit. Und wir haben es selbst in der Hand. Wir können jetzt runterfahren, damit wir in ein paar Wochen oder Monaten wieder loslegen können.

Bleibt gesund!