Mein erster 4000er, mein erstes Mal Lava, mein erstes Mal auf dieser Reise, dass ich kurz überlege aufzugeben.

Vor den Toren Antiguas liegt einer der aktivsten Vulkane Guatemalas: der Fuego. Passender könnte ein Name für einen Vulkan kaum sein. Und nachdem wir bereits in Indonesien auf diverse Vulkane geklettert sind (Mt. Bromo, Mt. Ijen) wollten wir uns die Vulkane rund um Antigua nicht entgehen lassen – spätestens nachdem ich Bilder vom rauchenden Fuego gesehen habe. Allerdings klettert man nicht auf den Fuego selbst, sondern auf den Nachbarvulkan: den Acatenango. Inklusive Übernachtung in luftiger Höhe. Klang erst mal nach einem super Plan. Was uns dann jedoch erwartet hat, darauf waren wir nicht gefasst.

Logbuch über den anstrengendsten Hike meines Lebens

09:55

Wir starten am Fuß des Acatenangos. Der Weg ist direkt steil. Uff, fängt ja schon mal gut an.

10:20

Pause. Klingt lustig nach 25 Minuten, allerdings haben es alle bereits nötig.

10:30

Es geht weiter. Der Weg wird gefühlt immer steiler. Vielleicht liegt’s auch daran, dass sich der Rucksack langsam bemerkbar macht. Wobei, der Weg ist schon verdammt steil.

Die Gruppe macht sich auf den Weg

10:40

Pause. Die Gruppe wird breiter. Die ersten hängen schon ordentlich hinterher und haben nur eine recht kurze Pause.

10:55

Es geht weiter – der schmale Pfad ist einfach nur noch steil! Steil, steil, steil. Nebel zieht auf. View non existent. Hoffentlich wird’s oben besser… Ich verdränge erste leise Zweifel. [Wir hatten vorab ewig überlegt, ob wir die Tour auf den Acatenango bei diesem wechselhaften Wetter wirklich machen sollen.] Nun gut, jetzt sind wir hier.

Der mystische Blick über die Landschaft

11:15

Pause.

11:20

Der Weg ist nicht mehr sooo steil. Dafür steigen wir jetzt Treppen – oder zumindest so was ähnliches. Von einem einheitlichen Maß hat hier auch noch niemand was gehört.

11:35

Pause Nr. 4: einfach nur sitzen, trinken und schweigen.

11:55

Es wir immer, immer anstrengender. Ich kann nicht mehr. Wer hatte diese blöde Idee eine 2-Tages-Tour auf einen Vulkan zu machen?! Hm, möglicherweise ich selbst…

12:18

Pause Nr. 5. Naja, eigentlich warten wir nur auf die Nachzügler… Aber egal, Hauptsache wir halten an. Vom Fuego ist weit und breit nichts zu sehen.

12:30

Unser Guide legt plötzlich ein ordentliches Tempo vor. Sein Versprechen: beim nächsten Halt machen wir Mittagspause. Yeah! Man braucht schließlich ein Ziel!

13:25

Mittagessen. Wir packen unsere Lunchpakete aus und machen uns über Reis, Hühnchen und Salat her. Schmeckt überraschend gut! Aber ehrlich gesagt hätten wir in dieser Situation vermutlich fast alles gegessen… Es fängt an zu regnen. Der Guide verteilt Plastiktüten, die wir zusätzlich um die Rucksäcke wickeln können.

Essen auf dem Weg

13:50

Der Rucksack fühlt sich leichter an. Naja, ein bißchen leichter ist er ja auch, da das Essen ist schließlich verputzt. Die Gruppe wirkt trotz Regen deutlich motivierter. Was Essen alles bewirken kann. Freu*

14:15

Pause. Alle japsen nur noch nach Luft und werfen Klamotten von sich. Der Regen hat zum Glück wieder aufgehört. Mit Regenjacke ist es deutlich zu warm. Auch wenn man im Sitzen sofort friert.

14:30

Ohne Essen im Bauch ließ es sich leichter wandern. Ugh. Der Weg wird steiler und steiler. Und der Rucksack ist noch viel schwerer als vorher…

14:50

Pause. F*** ist das anstrengend !

Tal mit Wolken

15:00

Wir haben den dichten Wald hinter und gelassen. Aus dem Nebel tauchen riesige Baumstumpen auf. Die Aussicht ist mystisch. Die Bäume sehen aus wie verbrannt. Die Vulkanlandschaft wirkt surreal.

Kaputte Bäume

Der Weg schlängelt sich endlich mehr oder weniger annehmbar ohne größere Steigung um den Berg. Mal gehts hoch, mal runter. In der Ferne hören wir den Fuego grollen. Oder ist es ein aufziehendes Gewitter? Ich hoffe einfach auf den Vulkan… Zu sehen ist nur Nebel.

15:30

Pause. Ich kann nicht mehr. Der Rucksack fühlt sich an als hätte ich Backsteine drin. Egal wieviel Wasser wir trinken, er wird nicht leichter. Meine Schultern brennen.

15:45

Wir kämpfen uns weiter auf die letzte Etappe, zum Acatenango Basecamp. Das Schlussstück ist schlimm. Es geht hoch. Einfach nur hoch. Und durch Vulkansand. Ich habe das Gefühl dass ich den Rucksack keine zwei Minuten länger tragen kann. Es ist kalt, windig und neblig. Ich fluche in meinem Kopf, sprechen kann ich nicht mehr. Viel zu anstrengend.

16:06

Angekommen!

Wir haben es geschafft! Wir betreten das schmale Plateau und schmeißen die Rucksäcke zu Boden. Uff war das anstrengend.

Die Guides bauen die Zelte auf – was ein Luxus. Ich starre währenddessen leicht apathisch auf die dicken Nebelwolken hinter denen der Vulkan verschwindet. So ein Mist. Jetzt haben wir es bis ins Basecamp auf den Acatenango geschafft und sehen nichts. Und ist es kalt. Also gehe ich ins Zelt und ziehe mir jede Schicht Kleidung die ich dabei habe übereinander.

Zelt aufbauen

17:30

Die Sonne geht hinter dem Acatenango unter und es wird dunkel. Wir setzen uns ans Lagerfeuer, genießen die Wärme und plaudern mit den anderen Deutschen, die auf der Tour dabei sind. Ist das schön mal wieder Deutsch zu sprechen.

Und dann passiert es…

In der Dämmerung sehen wir rote Funken aus dem Vulkan sprühen. Ein paar Minuten später fängt die Amerikanerin neben mir an zu schreien – eine Lavafontäne schießt aus dem Fuego.

Der Anblick ist absurd, unbegreiflich. Ich fühle mich wie vor dem Fernseher. Hundert mal gesehen – diese Bilder, wenn ein Vulkan Lava spuckt. Aber das hier ist echt. Echt und real! Ich kann es nicht wirklich glauben. Es ist erschreckend und doch wunderschön.

Der erste richtig große Ausbruch des Abends

Wir sitzen wir gebannt mit dem Rücken zum Feuer und starren auf den Fuego. Stundenlang.

Unsere Guides kochen ein wirklich leckeres Abendessen. Verwöhnen uns mit heißer Schokolade zum Nachtisch und zaubern später sogar noch Marshmallows zum Grillen hervor. Auch wenn ich die nicht mag, könnte ich die zwei Guides knuddeln. Sie kümmern sich wirklich rührend um uns auf dieser winzigen, windigen Plattform im Nirgendwo.

Und als wäre der spuckende Vulkan nicht schon genug, geht zwischen den Bergen noch der Vollmond auf. Die Sicht ist glasklar.

Vollmond und Vulkan

Vollmond, Sternenhimmel, tausend Lichter von den Städten tief in der Ebene. Und der Fuego steigert sich mit jedem Ausbruch und spuckt und spuckt und spuckt.

Aschekegel

21:00

Wir verkrümeln uns in die Zelte, ich rolle mich auf 3600 Metern in meinem Schlafsack ein und versuche irgendwie meine Füße aufzuwärmen…. Ist das kalt hier oben!

03:40

Die Guides rufen ein fröhliches Buenos Días durchs Camp. Ich bin mir um die Uhrzeit nicht allzu sicher, wie gut dieser Morgen ist. Die Nacht war nicht die allerbequemste. Aber immerhin habe ich nicht gefroren.

04:00

Wir beginnen mit dem Aufstieg zur Spitze des Acatenango. Der Boden besteht aus Vulkansand, bei jedem Schritt sinke ich ein. Es ist anstrengend, unfassbar anstrengend. Nach 10 Minuten eine erste Pause. Niemand spricht, jeder versucht nur zu Atem zu kommen. Gar nicht so leicht auf rund 3700 Metern.

04:30

Wir kämpfen uns Stück für Stück weiter. Der Boden wechselt zwischen Sand und Geröll, immer wieder müssen wir über Felsbrocken klettern. Tausende Meter unter uns glitzern die Lichter von Antigua, Chimaltenango und Guatemala Stadt. Der Anblick ist wunderschön. Die Steigung der letzten Meter allerdings der absolute Horror. Ein Foto gibts daher nicht, laufen und atmen ist anstrengend genug.

100 Meter vor dem Gipfel des Acatenango überlege ich kurz einfach sitzen zu bleiben und mir den Sonnenaufgang hier anzusehen. Aber die Guides drängen uns weiter. Aufgeben ist keine Option. [Notiz an mich: die Idee mit dem Mount Everest ganz schnell verwerfen.]

Rosaroter Sonnenaufgang

05:45

Ich mache den letzten Schritt und betrete den Gipfel. Der Guide hält mir die Hand zum Abklatschen hin. Ich bin fertig, aber glücklich! So glücklich!

Ein eisiger Wind peitscht mir ins Gesicht, zerrt an meiner Jacke. Egal. Der Ausblick ist unbeschreiblich.

Wir schlendern über den Bergkamm. Auf der einen Seite der Sonnenaufgang, Guatemala Stadt, Antigua und die Berge. Zur anderen Seite der grollende, rauchende, spuckende Fuego. Kann ein Morgen schöner sein?!

06:30

Wir machen uns an den Abstieg, es geht zurück ins Basecamp. Viel länger hält man es auf dem Gipfel des Acatenango nicht aus. Es ist bitterkalt. Als wir an einem Kreuz vorbei kommen, erzählt unser Guide, dass hier im letzten Jahr eine Gruppe Wanderer gestorben ist. Sie wurden von einem Schneesturm überrascht. Es zeigt umso mehr, welche Kraft die Natur hat – und wie klein und unbedeutend wir Menschen doch sind.

Auf dem Gipfel

Immer wieder entdecken wir Löcher, aus denen warme Luft strömt und man sich für einen Moment die Hände wärmen kann. Denn auch der Acatenango ist ein Vulkan – zum Glück jedoch nicht so aktiv wie sein Zwilling Fuego.

Wir rutschen den Hang mehr hinab. Immerhin sieht man jetzt den Weg. Es ist steil und rutschig. Bei jedem Schritt sinke ich bis zu den Knöcheln in den körnigen Vulkansand, der in den Schuhen piekst. Es ist ein bisschen wie durch Schnee zu wandern. So ein Plastikschlitten wäre jetzt toll!

07:00

Wir erreichen das Basecamp. In meinen Schuhen sind gefühlt 10 Kilo Vulkansteinchen. Die Guides kochen Kaffee, wir frühstücken unsere Cornflakes und versuchen uns in der Morgensonne aufzuwärmen.

08:45

Wir machen uns an den Abstieg. Ein letztes Foto noch. Bye bye Fuego. Es war toll.

Blaue Stunde mit Vulkan

Der Abstieg ist anstrengend. Zwar wesentlich weniger als der Aufstieg und die Rucksäcke sind auch etwas leichter, allerdings geht es steil nach unten und so richtig in die Knie. Außerdem macht sich die Müdigkeit bemerkbar.

Wir wandern durch dichten Nebel, Wolken und Sonnenschein. Ruhen hier und da kurz aus. Je weiter wir ins Tal kommen, desto anstrengender wird der Weg.

11:30

Wir machen die vierte und letzte Pause.

Mittlerweile hat sich nahezu jeder aus der Truppe mindestens einmal hingelegt. Ich habe mir den Arm aufgeschürft, das Bein der Amerikanerin neben mir sieht jedoch schlimmer aus. Sie wird definitiv ein Andenken vom Acatenango mit nachhause nehmen.

Die letzten 30 Minuten sind schmerzhaft und ziehen sich wie Kaugummi. Hinter jeder Kurve hoffe ich die Straße zu sehen und werde erneut enttäuscht. Das Mädchen das hinter uns läuft heult die letzten Meter einfach nur noch.

Acatenango weg runter

12:00

Wir erreichen die Strasse auf der bereits zwei Minivans auf uns warten. Meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding, meine Schultern schmerzen vom Backpack. Aber es war jeden Meter wert.

Der Hike auf den Acatenango war das anstrengendste was ich jemals gemacht habe. Aber sooo unfassbar gut!

Der Blick ins Tal bei Sonnenaufgang

Alles was du vor einer Tour auf den Acatenango wissen musst