Bangkok. Da sind wir also angekommen, an Station Nummer 1 der großen Reise.

Man sagt, New York ist die Stadt, die niemals schläft (und ja, das stimmt), was ich dann jedoch über Bangkok sagen sollte, weiß ich gar nicht. Die Stadt, die niemals schläft wäre untertrieben. Vielmehr die Stadt, die niemals auch nur für den Bruchteil einer Sekunde innehält. Oder schweigt. Bangkok ist laut, Bangkok ist wirr und manchmal auch anstrengend und entspannt zugleich. Anstrengend da man nie weiß, ob einen gleich ein Motorroller über den Haufen fährt, entspannt, da man trotz des Trubels doch problemlos durchschlendern kann.

Vor zwei Jahren waren Max und ich schon einmal in Bangkok und haben binnen zwei Tagen gefühlt jeden Tempel angeschaut, den das Zentrum zu bieten hat – und das sind verdammt viele! Ein tolles Erlebnis, das niemand verpassen sollte, der Thailands Hauptstadt besucht. Dieses Mal haben wir es aber umso langsam angehen lassen. Die Tempel kannten wir bereits, also haben wir uns treiben lassen. Erstmal ankommen war das Motto. Hier ein Viertel erkunden, da den Menschen zuschauen, durch die engen Marktgassen von Chinatown schlendern und uns von einem zum nächsten Straßenstand durchfuttern. Hier und da haben wir dann doch einen Blick in einen der Tempel geworfen – ganz ohne geht’s einfach nicht in Bangkok.

Thailand – ein Land trägt Schwarz

Und bei all dem Wirren und Kulturellen, dass wir schon von unserem ersten Besuch in der Stadt kannten, war diesmal eine Sache anders. Sehr anders sogar. Denn Thailand trauert.

Wir besuchen Thailand in der Zeit der Trauer. Trauer um den sehr beliebten, im letzten Jahr verstorbenen König Bhumibol. Alle Thais tragen in diesen Zeiten schwarz, die Kinder schwarz-weiß. Und überall hängen reichlich mit Blumen geschmückte Bilder des Königs. Auf jeder Internetseite erscheint zunächst ein Fenster mit Traueranzeige, an den Hochhäusern und in Bahnhofshallen hängen riesige Fotos des verstorbenen Königs, in der Ubahn und in Shoppingmalls kann man sich in Kondolenzbücher eintragen. Von den Stoffhändlern sagt man, dass nach dem Tod des Königs alle schwarzen Stoffe auf Wochen ausverkauft waren. Und geht man nach den tausenden Blumenaltären in der ganzen Stadt, scheint Blumenhändler momentan der lukrativste Beruf der Stadt zu sein.

Trauer um den alten König und Huldigung des Neuen

Trauer und Ehrerbietung für den alten König an allen Ecken ist das eine. In die Trauer mischt sich aber an vielen Stellen schon die Huldigung des neuen Königs. An einem Abend erlebten Max und ich am eigenen Leibe, wie sich in diesen Zeiten Trauer um das Alte und die Ankündigung des Neuen auf besonders verrückte Weise mischen.

Der Königspalast ist mittlerweile weiträumig durch Sicherheitsschleusen abgesperrt, ähnlich wie am Flughafen, nur nicht so streng. Man muss als Nicht-Thai seinen Pass vorzeigen, den Rucksack aufmachen und wird einmal mit einem Metalldetektor abgescannt – dann darf man passieren. Grund für den Aufriss: Der kommende König war „zuhause“ – in seinem neuen Zuhause (nicht im von ihm, wie man hört, präferierten München) 

Thais die auf Palaste starren

An diesem Abend kamen wir von der Fähre in der Nähe des Königspalastes und wollten zu unserem Hotel laufen. Der Heimweg glich allerdings mehr einem Hindernislauf, da auf den Gehsteigen rund um den Palast hunderte schwarz gekleidete Thais saßen. Eine Zufahrtsstraße zum Palast war komplett bestuhlt. Tausende Thais saßen dort und schauten auf den Palast – um dem toten König ihren Respekt zu bekunden, wie uns später eine junge Thai erklärte.

Trauernde Thais in einer langen SchlangeAuf den vierspurigen Straßen rund um den Palast herum fuhr kein Auto. Es herrschte eine ungewöhnliche, fast schon gespenstische Stille – und das mitten in der Stadt. Wir begegneten einer Gruppe Frauen, die einen Karren die Straße entlang schob und gekochte Süßkartoffelstückchen in Bananenblättern an die Wartenden verteilten. Auch wir wurden beschenkt – auch wenn wir ganz offensichtlich (alleine schon wegen unserer Kleidung) nicht zur Trauergemeinde gehörten. Wir nahmen aber trotzdem dankend an – was sowohl uns, als auch die Damen freute. Andere Thais hatten ganze Plastiktüten mit Proviant dabei. Ich wunderte mich, wie lange sie wohl schon hier ausharrten – sie mussten schon länger dort gesessen und gekniet haben.

Füße von der Straße, der König von Thailand kommt

Als wir die Sanaa Chai Road überquerten rief ein Polizist ganz hektisch in unsere Richtung. Eine junge Frau, die dort auf dem Gehsteig saß bzw. kniete, übersetzte ins Englische und erklärte uns, dass wir uns sofort hinsetzten müssten. Da wir sie vermutlich leicht irritiert anblickten, erklärte sie uns weiter, der König (sie sprach aber immernoch vom Prinzen – hatte sich wohl noch nicht mit dem neuen angefreundet) würde gleich vorbei fahren! Huj, ok. Argument genug – die Chance den Thailändischen Kronfolger zu sehen bekommt man ja nicht alle Tage. Also platzierten wir uns brav neben der Gruppe kichernder Thai-Mädchen auf dem Gehsteig.

Um es halbwegs bequem zu haben, wollte ich mich auf den Bordstein setzten und die Füße vor mich stellen – so, wie man das üblicherweise bei uns zuhause macht, wenn man sich schon auf einem Gehsteig niederlässt. Doch dieses Mal fing die ganze Gruppe an wild zu quietschen und zu gestikulieren! Klar, dummer Anfängerfehler. Hätte man wissen müssen. Schon zig Mal irgendwo gelesen, aber wenn’s drauf ankommt nicht gemerkt: in Thailand gilt es als extrem unhöflich jemandem die Füße zuzuwenden – also die Füße vor einen selbst zu stellen geht gar nicht.

Als ich diesen Fauxpas gerade noch abwendete und mich nach Vorbild der Thais mit meinem hellen Röckchen auf den Gehweg kniete, waren alle beruhigt. Bloß keine Fotos machen, das sei absolut verboten, warnt uns die nette Thai noch direkt. Schade – aber ausnahmsweise habe ich mich mal an das Fotoverbot gehalten (meine Form des Respekts). 

Der kürzeste, schnellste und wichtigste Autokorso Thailands

Nach etwa 5 Minuten angespannten Wartens ertönten dann endlich Sirenen und man sah die ersten Blaulichter auf den Autodächern. 8 Autos brausten in hohem Tempo vorbei und ich reckte den Kopf, wann der eigentliche Tross nun kommen würde. Währenddessen standen die jungen Frauen um uns herum auf und erklärten uns, wir könnten jetzt auch weitergehen. „That’s it?!“ rutschte es Max raus. Ja, das wars, lächelte sie uns an, wohl wissend, dass die Erwartung bei uns höher gewesen sein musste. In einem der Wagen saß der König – in welchem konnte auch sie nicht sagen.

Zu sagen, ich hätte den zukünftigen König von Thailand gesehen, wäre vielleicht ein wenig viel, aber hey, immerhin haben wir sein Auto gesehen und wir waren ihm sehr, sehr nahe – für ca. 5 Sekunden – immerhin.

Der König ist tot, es lebe der König!